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Marmorwerke J. Funk

Befand sich auf dem Areal, wo jetzt das Kaufland steht.

 

 

Artikel aus unserem Stadtteilmagazin Ausgabe 11, Juli 2017

 

Carrara in St. Leonhard

Dort, wo sich heute im Kaufland Nudelpackungen stapeln und kauflustige Konsumenten ihre Autos parken, lagen noch vor 50 Jahren schwergewichtige Marmorblöcke der Firma Marmorwerke J. Funk. Herr Heinrich – mittlerweile 76 Jahre alt – hat als Hausmeistersohn auf dem Gelände der Firma gelebt und erinnert sich im folgenden Bericht:

Von der ersten bis zur achten Klasse besuchte ich die Volksschule in St. Leonhard. In den beiden letzten Schuljahren hatten wir Herrn Lehrer Gary, einen sehr freundlichen Pädagogen. Er spielte uns viel auf seiner Geige vor und erzählte von seinen Erlebnissen im 2. Weltkrieg. Jedes Jahr bevor die Weihnachtsferien begannen, zeichnete er mit Kreide einen Christbaum auf die grüne Wandtafel, mit Ästen, Zweigen und Nadeln sowie farbigen Christbaumkugeln. Aber das Wichtigste waren die Wachskerzen. Mit flüssigem Kerzenwachs klebte er die weißen Kerzen an die Tafel. In der letzten Stunde vor den Ferien zündete er dann die Kerzen an der Tafel an und wir sangen ein Weihnachtslied. Es war sehr ergreifend.

Meine Konfirmation feierte ich 1955 in der Notkirche von St. Leonhard, weil das Gotteshaus durch Bomben im 2. Weltkrieg zerstört worden war. Unser Pfarrer, Herr Fischer, war ein sehr strenger Geistlicher mit einer tiefen, lauten Stimme und wir Konfirmanden hatten großen Respekt vor ihm. Als die Konfirmation nahte, wurde eine sog. Prüfung angesetzt, und wir Konfirmanden mussten in der Notkirche vor der Gemeinde verschiedene Texte und Psalmen aus der Bibel auswendig vortragen. Natürlich büffelten wir, um nicht aufzufallen. Vor dem einen oder anderen Konfirmanden bekamen wir Schützenhilfe. Im Jahre 1947 kam mein Vater aus der Gefangenschaft nach Hause zurück und brauchte Arbeit. Lange klappte es nicht. Doch 1949 suchte die Firma Marmorwerke J. Funk in der Schwabacher Straße ein Hausmeisterehepaar. Mein Vater bewarb sich und bekam tatsächlich die Stelle. Meine Eltern, meine zwei Geschwister und ich zogen nun ins 2. Obergeschoss des Bürogebäudes des Marmorwerkes. Nach Feierabend mussten meine Eltern die Büros, die sich im Erdgeschoss und im 1. Stock befanden, reinigen. Die Büros befanden sich direkt neben den Werkshallen, also war es nicht verwunderlich, dass der feine Marmorstaub vom Werk in die Büros getragen wurde. Staubwischen und viel Putzen war hier angesagt. Meine Eltern teilten täglich meine jüngere Schwester und mich für ca. zwei Stunden in die Reinigungsarbeiten mit ein, so dass wir nach 17.00 Uhr weder Hausaufgaben nachen noch spielen konnten. Außerdem musste mein Vater morgens die Werkshallen und die Bürogebäude aufsperren und abends wieder abschließen und am Wochenende waren die mit dem Zug ankommenden Marmorblöcke in Empfang zu nehmen.

Wir hatten den größten Spielplatz in der Umgebung. Das Gelände war eingezäunt und mit einem elektrischen Rolltor zur Schwabacher Straße abgegrenzt. Vor dem Geschäftshaus befand sich ein runder Platz, der mit Rasen bewachsen war, und um diesen Rasen führte eine Schotterstraße. In der Mitte stand ein alter, großer Kirschbaum, der im Frühjahr wunderbare süße Kirschen hatte. Oft denke ich an diese schöne Zeit – trotz der vielen Pflichten – zurück, wenn ich meinen Einkaufswagen durch den Kaufmarkt schiebe, wo früher lautes Getöse war, Lederriemen quietschten, Maschinen heulten und strenger Geruch in der Luft lag.

(Peter Heinrich)